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Editorial


„Was lange währt, wird endlich gut?“ Das Fragezeichen, das Kaus in seiner Besprechung eines (erneuten) Glyphosaturteils des EuG vom 21.11.2018 in der ersten Ausgabe von StoffR in 2019 setzt, erscheint durchaus verständlich. Zwar hat das EuG am – vorläufigen – Ende eines Prozessmarathons festgestellt, dass die sog. „Emissionsklausel“ nach der Aarhus-Konvention nicht zur Offenlegung von geistigem Eigentum des Glyphosat-Wirkstoffdossiers zwingt. Schon beim Dossier des Pflanzenschutzmittels für die nationale Zulassung versagt der Schutz des geistigen Eigentums jedoch, sofern Informationen des Dossiers Emissionen in die Umwelt betreffen. Und selbst beim Wirkstoffdossier gibt es, wie Kaus berichtet, brandneue Urteile des EuG vom 7.3.2019, die – jedenfalls in Bezug auf das breit angewendete Glyphosat – mit Hilfe der „Emissionsklausel“ den Schutz geistigen Eigentums, vorsichtig formuliert, relativieren. Eine genauere Bewertung sei, so Kaus, erforderlich.

Es bleibt die Erkenntnis, dass die von Stoffrechtlern über ein Jahrzehnt lang unbeachtete „Emissionsklausel“ der Aarhus-Konvention von 1998 mit Beginn des Prozessmarathons zu Glyphosat im Jahre 2010 das Stoffrecht erreicht und dort die Balance zwischen Transparenzgeboten einerseits und dem in Fachgesetzen geregelten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen andererseits gründlich durcheinandergewirbelt hat. Die Gewichte haben sich deutlich zugunsten der Transparenz verschoben. Die Aufarbeitung dieser Veränderungen in Wissenschaft, Rechtsprechung und Gesetzgebung ist sicher noch nicht am Ende.

Die anderen Beiträge im ersten Heft von StoffR in 2019 sind nicht weniger gewichtig.

Raupach analysiert unter dem Titel „Rechtsunsicherheit bei REACH-Zulassungen“ das Urteil des EuG vom 7.3.2019, das eine Zulassungsentscheidung der Kommission wegen mangelhafter Prüfung von Substitutionsmöglichkeiten annulliert hat. Investoren können sich also auf eine Zulassung erst nach Ausschöpfung gerichtlicher Nachprüfung verlassen, was nach Ansicht von Raupach die Frage aufwerfe, ob sich der beträchtliche Aufwand für die Erstellung und Verteidigung eines Zulassungsdossiers und einer erteilten – ohnehin zeitlich befristeten – Zulassung lohne. Ganze Geschäftsmodelle könnten so ohne Abwägung der Konsequenzen beendet werden.

Widemann untersucht den Status „BREXIT und REACH“ auf Basis der aktuellen Lage – Aufschiebung des BREXIT bis 31.10.2019. Sie empfiehlt, sich weiter auf den „Worst Case“ eines „No Deal“ vorzubereiten, da leider trotz Fristverlängerung ein solcher „No Deal“ nicht unwahrscheinlich sei. Es geht vor allem um die Sicherung des Marktzugangs auf beiden Seiten des Ärmelkanals sowie um Vorbereitungen zur Nutzung von Daten für „VK-REACH“ – so der Begriff für ein REACH im Vereinigten Königreich nach dem BREXIT.

An begriffliche Variationen zu REACH muss man sich gewöhnen. Drohmann berichtet über „K-REACH“ oder KoreanREACH sowie über den Stand der Biozidregulierung in Korea. Kamann schließlich befasst sich kritisch mit der deutschen Zulassungspraxis im Bereich zonaler Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln. Er setzt sich für ein Primat des Unionsrechts im Zulassungssystem ein und bewertet nationale Alleingänge kritisch.

Der/ die Leser(-in) von StoffR findet im vorliegenden Heft also erneut ein breites Spektrum aktueller und wissenschaftlich anspruchsvoller Berichterstattung.

Horst von Holleben

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